Sehr geehrte Frau Anemüller,
die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt, der Rat möge beschließen:
Die Stadt Viersen fordert die Bundesregierung auf, Schritte zur Aufnahme von Kindern aus griechischen Flüchtlingslagern zu ermöglichen und sich einer entsprechenden Erklärung mehrerer Städte in Deutschland anzuschließen. Die Stadt Viersen bietet dazu selbst an, eine Gruppe von Flüchtlingen aufzunehmen, die aus Familien mit Kindern und Jugendlichen oder allein reisenden minderjährigen Flüchtlingen besteht.“
Begründung:
Seit Februar 2019 ist die Stadt Viersen eine der „Städte sicherer Hafen“. Sie hat damit den Weg frei gemacht, um in Seenot geratene Flüchtlinge freiwillig aufzunehmen. Die Entscheidung für mehr Solidarität mit notleidenden Menschen, die nach einer gefährlichen Flucht über das Mittelmeer am Rande Europas gestrandet sind, wurde vom Stadtrat mit sehr großer Mehrheit getroffen. Es ist an der Zeit, diese humanitäre Geste konkret mit Leben zu füllen und auf die aktuelle Situation in den südlichen Ländern der EU-Außengrenzen anzuwenden – selbst wenn eine akute Seenot nach der gelungenen Überfahrt nicht mehr gegeben ist.
Wie man den aktuellen Medienberichten entnehmen kann, wird die Situation in den Flüchtlingslagern vor allem in Griechenland von Tag zu Tag unerträglicher. Auch Familien mit kleinen Kindern und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben dort unter katastrophalen Bedingungen. Die Lage in den Lagern und den umliegenden Ortschaften eskaliert zusehends – es drohen größere soziale Unruhen. Die medizinische Versorgung ist kaum noch sichergestellt und selbst die Nahrungsmittel werden teilweise knapp, weil Hilfsorganisationen ihre Arbeit vor Ort aufgrund der Gefährdung des eigenen Personals einstellen müssen. Ohne jede Perspektive und angefeindet von der örtlichen Bevölkerung versuchen viele der auf engstem Raum eingepferchten Menschen ihrer verzweifelten Lage zu entkommen; andere nehmen sich aus Verzweiflung das Leben.
Ganz besonders dramatisch ist diese unhaltbare Situation für die schwächsten und angreifbarsten Bewohner der Flüchtlingslager: Familien mit Kindern sowie unbegleitete Kinder und Jugendliche. Ohne professionelle Betreuung, geschweige denn Schulunterricht, nur mit dem täglichen Kampf ums Dasein beschäftigt, sehen die minderjährigen Flüchtlinge einer ungewissen Zukunft entgegen.
Ganz im Sinne des Bündnisses Seebrücke „Städte sicherer Hafen“ ist die Stadt Viersen aufgrund ihre materiellen Ausstattung und vorhandener Infrastruktur in der Lage, Menschen aufzunehmen, die sich derzeit in einer verzweifelten und möglicherweise bald lebensbedrohlichen Lage in griechischen Flüchtlingslagern befinden.
In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Städte Köln, Düsseldorf, Potsdam, Hannover, Freiburg im Breisgau, Rottenburg am Neckar und Frankfurt (Oder) die Bundesregierung auf, ihnen die Aufnahme von Flüchtlingen in Not zu ermöglichen. Zahlreiche weitere Städte folgen inzwischen diesem Beispiel. Auch das Land Niedersachsen hat die Aufnahme eines Kontingents angeboten.
Unsere Stadt sollte hinter dieser Welle von Hilfsbereitschaft und großzügiger Solidarität nicht zurückbleiben und eine Gruppe von etwa 20 bis 30 Menschen, bestehend aus Kindern und ihren Eltern sowie minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen, zu uns einladen und hier versorgen.
Davon unbenommen muss es ganz selbstverständlich das Ziel bleiben, eine gemeinsame europäische Lösung zu finden, um den Menschen in den Flüchtlingslagern zu helfen und die besonders Hilfsbedürftigen unter den Geflüchteten zügig auf möglichst viele europäische Staaten aufzuteilen. Langfristig müssen auch mit Hilfe europäischer Diplomatie in den Herkunftsländern der geflüchteten Menschen möglichst bald wieder lebenswerte Zustände hergestellt werden, damit Fluchtgründe entfallen. Solange die Verhandlungen darüber aber noch keine echten Ergebnisse hervorbringen, kann eine materiell gesunde und gesellschaftlich stabile Stadt wie in einem Akt der Menschlichkeit vorangehen.