Sehr geehrte Frau Anemüller,
wir beantragen, die Stadt Viersen möge sukzessive die im öffentlichen Eigentum liegenden Wegraine im Außenbereich, die derzeit widerrechtlich als Ackerfläche genutzt werden, für die Ziele der Biodiversität zurückgewinnen. Dafür ist durch den Abgleich von Katasterkarten und Luftbildern und anschließende Prüfung vor Ort zunächst festzustellen, welche Flächen betroffen sind. Zudem ist ein Konzept für die Wiederherstellung und Pflege der Flächen als Biotopverbundlinien zu erstellen. Anzustreben ist eine Be-pflanzung mit Kräutern, Wildblumen, Sträuchern, Hecken und Bäumen etc. Dabei ist sicherzustellen, dass von den angrenzenden Ackerflächen keine Düngemittel und Pestizide auf die Wegraine gelangen. Eine Mahd soll nur abschnittsweise und möglichst extensiv (max. 1-2 Schnitte pro Jahr, frühestens ab 15. Juni, wenn mögl. nur Ende Sept.) erfolgen. Über den Fortschritt der Umsetzung soll dem Rat regelmäßig be-richtet werden.
In einem weiteren Schritt sind auch Gewässerraine (entlang von Fließgewässern und Entwässerungsgrä-ben, hier werden die entspr. Bodenverbände zuständig sein) sowie Feldraine (zwischen einzelnen Feldern, die früher oft mit Hecken o.ä. bestanden waren) zu prüfen und, wenn erforderlich, als Biotopverbundlinien wiederherzustellen. Ebenso ist zu prüfen, ob auch komplette Feldwege umgepflügt wurden, wie es an einzelnen Stellen in den Flurkarten erscheint. Die Eigentumsfrage entzieht sich hier aber unserer Kenntnis.
Uns ist bewusst, dass diese Maßnahmen nicht von heute auf morgen zu erledigen sind und erheblichen Personal- und Ressourcenaufwand erfordern. Deshalb soll zunächst ein Zeitrahmen von drei Jahren für die Umsetzung gelten. Fördermöglichkeiten sind vorhanden und zu prüfen. Zudem sollen ausdrücklich die Landwirte in das Konzept eingebunden werden. Denkbar ist auch, dass diese die Bewirtschaftung der Wegraine übernehmen.
Begründung: Die Stadt Viersen besitzt viele Anlieger- und Feldwege im Außenbereich. Dieser Besitz ist Allgemeingut und gehört allen Viersener Bürgerinnen und Bürgern. Die Wegraine sind vom Träger der Straßenbaulast gem. § 32 StrWG NRW zu bepflanzen und zu pflegen, wobei dem Naturschutz und der Landschaftspflege Rechnung zu tragen ist.
Die zu den Wegen gehörenden Flurstücke sind in Alt-Viersen meist etwa 8 bis 10 Meter breit, in Dülken und Süchteln teilweise 6 Meter, während der befestigte Weg etwa 3 bis 4 Meter breit ist. Beidseitig ge-hört also ein Streifen von bis zu mehreren Metern Breite zu dem Wegeflurstück, s.g. Wegraine.
Liegen diese Wege entlang von landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen, lässt sich leider oft feststellen, dass die Wegraine widerrechtlich vom Eigentümer bzw. Pächter des Ackerflurstücks genutzt werden. Sie werden teils bis zu wenigen Dezimetern an den befestigten Weg umgepflügt und landwirtschaftlich genutzt. Infolge dessen werden auch Dünger und Pestizide auf die Wegraine aufgebracht. Die Wegraine sind deshalb ökologisch vollkommen wertlos. Die Hintergründe hierfür sind vielfältig und teils historisch bedingt.
Als Anlage haben wir einige Beispiele mit Flurstückskennzeichen aufgeführt, bei denen diese Umstände anscheinend zutreffen.
Dieser Zustand verstößt gegen diverse Gesetze und ist somit auch justiziabel. Unser Hauptaugenmerk liegt jedoch auf dem ökologischen Aspekt bzw. der erheblichen Schädigung der Natur. Die Wegraine durchziehen wie ein Netz die intensiv genutzte Agrarlandschaft, und obwohl sie meist schmal sind, haben sie eine große Bedeutung. Sie stellen nämlich – in naturnahem Zustand – Biotopverbundlinien dar, die für Flora und Fauna unersetzlich sind. Hier leben zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, sie dienen zahllosen Insekten, Kleintieren, Vögeln etc. als Lebensraum und als Verbindungsweg zwischen den wenigen noch vorhandenen Biotopen. Gerade vor dem Hintergrund von Klimawandel und Artensterben sind Wegraine, wenn sie denn naturnah sind, von erheblicher Bedeutung.
Das Thema hat auch eine wirtschaftliche Komponente. Nach unserer vorsichtigen Schätzung beträgt die Fläche der Wegraine, die widerrechtlich genutzt werden, etwa ein Prozent der Viersener Ackerflächen von rund 4.500 ha, also 45 ha. Das entspricht bei einem Hektarpreis von 60 TE einem Gegenwert von rund 2,7 Mio. Euro.
Es besteht also aus rechtlicher, wirtschaftlicher und vor allem ökologischer Sicht ein dringender Handlungsbedarf. Viele Kommunen und Kreise gehen dieses Thema in Zusammenarbeit mit Landwirtschaft, Naturschutzverbänden, Jägern, Imkern etc. erfolgreich an. Die Stadt Viersen sollte nicht zurückstehen.
Anlage
Beispiel 1: Viersen, Schanzweg, Flurstückskennzeichen des Weges 05320301100046
Beispiel 2: Viersen, Ummer, Flurstückskennzeichen des Weges 05320306800046
Beispiel 3: Süchteln, Rader Weg, Flurstückskennzeichen des Weges 05325400800127
Beispiel 4 (evtl. verschwundener Weg): Viersen, südöstl. Beckersweg Flurstückskennzeichen 053203000200144