Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 25.01.2024 eine Anfrage mit dem Titel „Anfrage gem. § 10 der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt Viersen und die Ausschüsse hier: Einführung von hybriden Sitzungen in den Ausschüssen der Stadt Viersen“ gestellt.
Hierzu wird wie folgt Stellung genommen:
1. Plant die Verwaltung, dem Rat die Frage zur Entscheidung vorzulegen, dass in seinen Ausschüssen die Möglichkeit für hybride Sitzungen nach § 58a GO NRW eingeführt werden soll?
Bereits bei der Einführung des neuen Ratsinformationssystems (RIS) hat die Stadt Viersen die Entwicklung der Gesetzgebung bzgl. digitaler und hybrider Sitzungen verfolgt und die entsprechenden Module (z.B. Abstimmungs-Modul „voteRICH“) für das RIS erworben.
Die Stadtverwaltung Viersen befindet sich im ständigen Austausch mit dem Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein (KRZN) und verfolgt die Zwischenergebnisse des dortigen Unterarbeitskreises „digitale und hybride Gremiensitzungen“ intensiv.
Derzeit befindet sich das Videokonferenztool BigBlueButton (BBB) des KRZN noch in der Zulassungsphase bei der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (gpaNRW). Daran anschließend wird dort ein Anwendertest durchlaufen, bevor BBB voraussichtlich Ende 2024 im Verbandsgebiet in den Rollout gehen kann.
Die Verwaltung wird vorschlagen, zunächst mit einem Ausschuss eine Pilotphase zu durchlaufen und dann mit den hierbei gewonnenen Erfahrungen sukzessive weitere Ausschüsse, für die ebenfalls eine hybride Sitzungsform beschlossen wurde, umzustellen. Dies setzt voraus, dass frühzeitig die Frage der hybriden Sitzungsführung von Ausschüssen politisch thematisiert wird. Die Beschlussfassung des Rates über eine hierfür erforderliche Änderung der Hauptsatzung und der Geschäftsordnung ist rechtzeitig beabsichtigt.
2. Wie hoch wären die voraussichtlichen Kosten für die Anschaffung eines der zugelassenen Lizenzprodukte und die Schaffung der notwendigen organisatorischen Voraussetzungen?
Wie bereits aufgeführt, ist geplant, die Sitzungsdurchführung mit „SD.NET“ und die Video- und Tontechnik mit der Softwarelösung BBB durchzuführen. Bei beiden Anwendungen handelt es sich um Kernprodukte beim KRZN, sodass keine direkten Mehrkosten und keine unnötigen weiteren Schnittstellen entstehen und auf den Support des KRZN zurückgegriffen werden kann.
Alle Verfahren, die bei hybriden/digitalen Sitzungen zum Einsatz kommen, müssen durch die gpaNRW freigegeben werden. Das RIS inkl. der Abstimmungs-App „voteRICH“ wurden bereits freigegeben. Die Videokonferenzlösung BBB befindet sich noch im Freigabeprozess. Würde auf ein bereits freigegebenes Videokonferenztool (z.B. Zoom) zurückgegriffen, würden sowohl Mehrkosten für die Lizenzen, als auch ein personeller Mehraufwand für den IT-Support dieser Anwendungen entstehen. Eine Freigabe der Anwendung BBB durch das KRZN Ende 2024 wird als realistisch betrachtet.
Ein weiterer elementarer Bestandteil hybrider Sitzungen ist die Kamera – und Tontechnik im Sitzungsraum. Der Kreis Viersen baut derzeit das Forum im Kreishaus entsprechend um. Es werden moderne Kameras und Mikrofone installiert, mit denen die optimalen Voraussetzungen für die Übertragung hybrider Sitzungen geschaffen werden. Für die Regie bei hybriden Sitzungen (Einstellung Bild, Mischung des Tones aus dem Sitzungssaal in das Videokonferenzsystem) wird eine zusätzliche Fachkraft im Regieraum des jeweiligen Sitzungsaales benötigt. Diese soll nach aktuellem Stand vom Kreis Viersen gestellt werden. Ob dies im Ergebnis bei hybrider Sitzung mehrerer Viersener Ausschüsse auch terminlich durchgehend realisierbar ist, wird noch abzustimmen sein. Die Fertigstellung des Forums ist nach Aussage des Kreises Viersen für Herbst 2024 geplant.
Auf die voraussichtlichen Kosten für die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen wird im weiteren Verlauf dieser Stellungnahme eingegangen.
3. Das Zurverfügungstellen von Endgeräten an Ratsmitglieder sowie die Sicherstellung der laufenden Systembetreuung?
Grundsätzlich beschreibt das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen in seiner hierzu veröffentlichten Handreichung drei Möglichkeiten der Bereitstellung technischer Geräte:
Möglichkeit 1: Die Gremienmitglieder nutzen privat beschaffte Hard- und ggf. Software.
Bei dieser Möglichkeit sind die Kosten für die Stadt Viersen an geringsten. Die benötigten Anwendungen sind kostenlos und stehen für alle gängigen Betriebssystemen zum Download bereit. Ein weiterer Vorteil dieser Variante ist, dass jedes Ausschussmitglied das jeweils präferierte und vertraute Betriebssystem nutzen kann. Auf privaten Geräten können grundsätzlich alle Apps heruntergeladen und verwendet werden. Auf den städtischen Geräten ist die Auswahl an Apps aus Sicherheitsgründen eingeschränkt.
Möglichkeit 2: Den Gremienmitgliedern wird die Hard- und Software zur Verfügung gestellt, die laufende Systembetreuung wird jedoch nicht übernommen.
Hier würden einmalige Kosten für die Beschaffung der Endgeräte in Höhe von ca. 1.000 € je Endgerät und ggf. Zubehör anfallen. Zusätzlich sind monatliche Kosten in Höhe von ca. 10,00 € für die Anbindung an den Server zu veranschlagen.
Erfahrungsgemäß müssen die Geräte aufgrund eines Leistungsabfalls nach drei bis vier Jahren ausgetauscht werden.
Für den Fall, dass Ausschussmitglieder ihre Endgeräte zur digitalen Abstimmung nicht mitführen oder bei technischen Problemen wird die Verwaltung eine noch festzulegende Anzahl – unabhängig von der gewählten Möglichkeit – vorhalten müssen.
Exemplarisch würde alleine die erstmalige Ausstattung für den Ausschuss für Bauen, digitale Entwicklung und Infrastruktur fixe Hardwarekosten in Höhe von ca. 30.000 € verursachen. Für die Ausstattung weiterer Ausschüsse würden sich die Kosten aufgrund von Personenüberschneidungen entsprechend reduzieren.
Möglichkeit 3: Den Gremienmitgliedern wird die Hard- und Software zur Verfügung gestellt und die laufende Systembetreuung wird durch die IT der Stadt Viersen übernommen.
Zusätzlich zu den unter Möglichkeit 2 aufgeführten Kosten fällt hier ein zusätzlicher Personalaufwand im Bereich Informationstechnologie an, da pro ca. 50 Endgeräten eine 0,25 VzÄ-Stelle nur für die Betreuung und Wartung der Geräte benötigt wird. Bei Ausstattung aller Gremienmitglieder mit Endgeräten (hierunter fallen auch Personen, die beispielsweise in Funktion der Kirchen oder anderer Behörden in städtischen Gremien Mitglied sind) würden überschlägig 1,5 VzÄ alleine für die Anwenderbetreuung benötigt.
Wie bereits ausgeführt, erfolgt nach Freigabe der Videokonferenzlösung BBB ein durch das KRZN begleiteter Anwendertest im Verbandsgebiet. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden bei der Entscheidung über die Endgeräte (Möglichkeit 1 – 3) eine maßgebliche Rolle spielen.
Unabhängig von der gewählten Möglichkeit der Bereitstellung von Endgeräten erhöht sich auch der Personalaufwand im Bereich der Ausschussbetreuung, da bei hybriden Sitzungen im Sitzungsraum eine zusätzliche Verwaltungskraft benötigt wird, die sowohl mit den Gepflogenheiten der Sitzungsbetreuung vertraut ist, als auch die Sitzung technisch administrieren kann. Beispielsweise muss jede Abstimmung in der Abstimmungs-App freigegeben und beendet werden, die Anwesenheit muss laufend gepflegt werden (on – und offline), die Tagesordnung und Beschlüsse müssen verändert werden können etc. Diese Sitzungsadministration kann im Interesse einer ordnungsgemäßen Sitzungsdurchführung nur durch Verwaltungsmitarbeitende erfolgen, die regelmäßigen Umgang mit Sitzungen und der entsprechenden Software haben. Auch außerhalb der Sitzungen wird der Support-Bedarf steigen. Die Verwaltung möchte die Politik bei der Digitalisierung der Rats- und Ausschussarbeit unterstützen und gemeinsam weiterentwickeln. Zudem strebt die Verwaltung an, der Politik weitere RIS Module anzubieten, mit denen die Rats- und Ausschussarbeit noch effizienter mit den Sitzungsdienst-Apps gestaltet werden kann.
Aufgrund auch im interkommunalen Vergleich noch fehlender Erfahrungen kann derzeit hierfür noch kein konkreter Stellenbedarf definiert werden. Es ist jedoch schon jetzt davon auszugehen, dass bei Umstellung von mehreren Ausschüssen auf hybride Sitzungsdurchführung für den Stellenplan 2025 ein Stellenbedarf angemeldet werden muss.
Auch aufbauorganisatorisch sind im weiteren Verlauf Änderungen zu prüfen. Die Einführung hybrider Sitzungen und die damit verbundenen steigenden Anforderungen an die Sitzungsvorbereitung – und Durchführung bedeuten auch eine Kompetenzverschiebung innerhalb der Stadtverwaltung. Insbesondere die derzeit mit der Sitzungsgeschäftsführung betrauten Mitarbeitenden, die nur wenige Sitzungen im Jahr organisieren, können bei der steigenden Komplexität in der Betreuung hybrider Sitzungen keine Routine entwickeln. Es erscheint sinnvoller, die Kompetenzen im Bereich der Ausschussarbeit mittelfristig zentral zu bündeln, um auch hier Synergieeffekte besser nutzen zu können.
4. Den Personalaufwand zur Sicherstellung der Anforderungen an IT-Sicherheit, Datenschutz und Barrierefreiheit gemäß den Vorgaben der gpaNRW?
Vor Einsatz zugelassener Anwendungen zur digitalen Gremienarbeit vor Ort müssen die Nutzenden jedoch auch wesentliche datenschutzrechtliche Aspekte beachten. Hierzu zählen in erster Linie die in der DigiSiVO beschriebenen Aspekte, die nicht durch den Hersteller einer Anwendung erfüllt oder umgesetzt werden können. Weiterhin gelten bzgl. des Einsatzes zugelassener Anwendungen die üblicherweise von einer Kommune zu beachtenden datenschutzrechtlichen Pflichten. Mangels entsprechender Erfahrungen kann auch hier derzeit noch kein konkreter Personalbedarf definiert werden. Zweckmäßig wird jedoch sein, auch diese Aufgabe in den Bereich der kommunalverfassungsrechtlichen und technischen Sitzungsbetreuung zu verorten (siehe Antwort zu b).