Liebe Martina, lieber Norbert,
heute haben wir von Euch erfahren, dass Ihr Euch von uns losgesagt habt, um gemeinsam mit anderen Mitgliedern unserer Fraktion eine eigene Gruppe im Viersener Stadtrat zu gründen. Reisende soll man nicht aufhalten, besagt eine Redewendung – aber wir wollen es dennoch einmal versuchen.
Ihr fühlt Euch von uns wenig „gewertschätzt“ und werft uns öffentlich vor, Eure langjährigen Erfahrungen in der Viersener Kommunalpolitik mit Füßen zu treten. So ist es aber nicht. Wir wissen, was Ihr beiden über viele Jahre hinweg für unsere Grüne Sache vor Ort geleistet habt – und immer noch leistet. Aber Zeiten ändern sich. Situationen ändern sich. Wir sind nicht mehr die Zwergpartei, die sich ständig gegen die große Konkurrenz ihrer Haut erwehren muss. Wir wollen auch nicht mehr nur der Stachel im Fleisch von Politik und Gesellschaft sein. Wir wollen etwas erreichen. Wir sind als Partei und Fraktion erwachsen geworden und fordern zu Recht, mit unseren Anliegen für mehr Klima-, Umwelt- und Naturschutz, eine offene und tolerante Gesellschaft und für einen offenen Dialog zwischen Politik und Verwaltung und den Einwohner*innen unserer Stadt auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden.
Ja, wir wollen, dass sich etwas ändert in Viersen. Dazu sollte sich aber zunächst etwas ändern in der Art, wie wir miteinander umgehen! Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses offenen Briefs, wollten in dieser Fraktion mehr erreichen – aber nicht für unsere Person, nicht um Posten zu besetzen. Bitte werft uns also nicht vor, uns wäre „die Macht zu Kopf gestiegen“. Ja, wir wollen mehr: mehr Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen, die gerade erst anfangen, sich für Grüne Politik zu interessieren, mehr Aufmerksamkeit für die Interessen junger Leute, die sich auch in Viersen immer mehr für Grüne Themen stark machen. Wir wollen einen freundlichen, offenen und wertschätzenden Umgang miteinander – innerhalb der Fraktion und des Grünen Ortsverbands -, aber unbedingt auch nach außen.
Denn nur so können wir auf Dauer unsere eigene Basis stärken und unseren Einfluss so weit vergrößern, dass unsere Stimme nicht mehr überhört werden kann, wenn wir bessere Fahrradwege fordern, neue Wälder anlegen, Feldraine zum Biotopnetzwerk entwickeln wollen, städtische Solaranlagen beantragen usw. – aber Ihr kennt unser Wahlprogramm ja selbst, weil wir es gemeinsam erarbeitet haben.
Und nur dafür wollten wir mehr Mitsprache in der Fraktion – nicht zur Befriedigung unserer Egos. Das dürft Ihr uns glauben. Wir sind auch nicht zu jung oder zu unerfahren dafür, Verantwortung für Grüne Politik zu tragen. Als vollkommen „ahnungslos“ würden wir uns nicht bezeichnen – sehr schade, dass Ihr uns offenbar so seht. Unsere Spanne reicht von knapp über dreißig bis etwa sechzig Jahren Lebenserfahrung, die wir in den unterschiedlichsten Berufen und Engagements gewonnen haben.
Einige von uns sind zwar noch nicht lange im Rat der Stadt Viersen. Das ist richtig. Aber andere von uns sind es eben doch. Manche von uns haben ihre politischen Erfahrungen auch bereits an anderer Stelle gesammelt. Und wir haben nun doch schon über einige Jahre hinweg Woche für Woche Seite an Seite mit Euch Grüne Politik für Viersen gemacht, Anträge geschrieben, Themen bearbeitet, Arbeitskreise geleitet, Ausschusssitzungen bestritten. Wir haben im vergangenen Jahr gemeinsam Plakate aufgehängt, bis uns der Kabelbinder zu den Ohren herauskam. Warum könnt Ihr plötzlich nicht mehr mit uns gemeinsam eine Fraktion sein?
Wir bitten Euch sehr herzlich: Überdenkt Eure Pläne noch einmal! Noch ist dafür Zeit. Wieviel könnten wir gemeinsam erreichen, wenn wir die Zeit und die Kraft nicht mehr dazu verschwenden, uns gegenseitig das Leben schwer zu machen. Wem wollt Ihr diese Spaltung als Fortschritt oder auch nur als Lösung auf unser Problem verkaufen? Unseren Wählerinnen und Wählern haben wir das Versprechen gegeben, hier in Viersen Grüne Politik durchzusetzen. Wie sollen wir dieses Versprechen einlösen, wenn wir uns durch Spaltung selbst schwächen?
Wir appellieren heute noch einmal sehr eindringlich an Euch, die Abspaltung zurückzunehmen und die Einheit unserer Fraktion zu erhalten. Lasst uns dazu einfach etwas Platz, damit wir unsere eigenen Erfahrungen machen können! Bitte teilt Eure Erfahrungen mit uns, damit wir sie gemeinsam nutzen können.
Wenn wir Euch in den letzten Monaten persönlich verletzt haben sollten, bitten wir dafür um Entschuldigung. In der Sache aber stehen wir zu unserem Entschluss, Veränderungen anzustoßen und die Verantwortung für Fraktion und Partei auf viele verschiedene Schultern zu verteilen. So wie es Grüne auf allen Ebenen und Gremien schon immer vorgemacht haben – weil Vielfalt ein Vorteil ist! Wir wollen ein Team sein, in dem jede und jeder Einzelne seine oder ihre Stärken ausspielen kann und mit seinen oder ihren Schwächen aufgefangen wird. Wir möchten keine „Vorsitzenden“ mehr haben, sondern eine gleichberechtigte Grüne Doppelspitze mit einer Sprecherin und einem Sprecher. Wir wünschen uns Teamfähigkeit und keine „Kleiderordnung“.
In diesem Sinne hoffen wir auf viereinhalb Jahre kreativer und konstruktiver Grüner Fraktionsarbeit in Viersen – gemeinsam mit Euch! Unsere Tür bleibt dafür offen.
Eure ehemaligen Fraktionskolleginnen und Kollegen
gez. Maja Roth-Schmidt
gez. Jörg Eirmbter-König
gez. Annika Enzmann-Trizna
gez. Peter Breidenbach
gez. Julian Hanisch
gez. Christina Wolff-Dittrich