Ergänzungsantrag zu TOP Ö5 der Sitzung des KULFA am 15.02.2022 Antrag auf Stellungnahme der Stadt Viersen an die UNB des Kreises Viersen zur geplanten Aufstellung des neuen Landschaftsplans 2 in Bezug auf die Ausweisung eines großflächigen Naturschutzgebiets im Bereich Hoher Busch und Süchtelner Höhen gem. § 23 BNatSchG
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt, dass sich die Stadt Viersen im Zuge der geplanten vollständigen Neuaufstellung der Landschaftspläne im Kreisgebiet bei der unteren Naturschutzbehörde (UNB) aktiv dafür einsetzt, die Süchtelner Höhen und den Hohen Busch in der gesamten Gebietskulisse, die derzeit zwischen der Sportanlage Hoher Busch bis hin zur Stadtgrenze nach Grefrath und Nettetal als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist, im zukünftigen neuen Landschaftsplan 2 als Gebiet zum Schutz der Natur gemäß § 23 BNatSchG auszuweisen. Sie stellt dafür ihre eigenen Flächen zur Verfügung und führt als Fürsprecher dieses Vorhabens Gespräche mit anderen Flächeneigentümern, wie dem Viersener Verschönerungsverein, der Gemeinde St. Clemens und dem Süchtelner Heimat- und Verschönerungsverein, in deren Auftrag sie Flächen in diesem Gebiet bewirtschaftet und pflegt.
Begründung:
Die weithin sichtbare Erhebung der Süchtelner Höhen bildet eine Besonderheit in der flachen Terrassenlandschaft des Niederrheinischen Tieflands und besitzt eine landschaftsprägende Wirkung. Sie sind wahrscheinlich als Ergebnis einer tektonischen Verwerfung bereits vor rund 25 Millionen Jahren entstanden und bilden einen eigenständigen Teil-Naturraum (571.3) innerhalb der Haupteinheit „Schwalm-Nette-Platte“ im Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands. Das Gebiet ist heute zum überwiegenden Teil als Landschaftsschutzgebiet LSG-4603-0007 im Landschaftsplan Nr. 2 „Mittlere Nette/Süchtelner Höhen“ ausgewiesen. Als Teil des Biotopverbundsystems des Landes Nordrhein-Westfalen (gem. §§ 20 und 21 BNatschG) wird ihnen außerdem eine „Besondere Bedeutung“ attestiert.
Die Einordnung als Teil des Biotopverbunds stützt sich auf folgende naturschutzfachliche Bewertung durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (VB-D-4704-002):
„Das fast komplett bewaldete Gebiet umfasst den gut 4 km langen und 300-900 m breiten Abschnitt der Süchtelner Höhen zwischen dem Norden von Süchteln und dem Ortsrand von Viersen. Der Höhenzug oligozänen Ursprungs (variscische Faltung) erhebt sich 20 bis 40 m über die Umgebung und weist einige Kuppenbereiche, Trockentäler und ehemalige, wieder bewaldete Abgrabungsbereiche (Formsandgruben mit bis zu 15 Meter hohen Wänden, u.a. die ehemalige ‚Freudenbergsche Grube‘) auf. Es handelt sich um Waldgebiet mit oft kleinflächiger Parzellierung. Neben zumeist naturnahen Eichen- und Buchenwäldern von der Dickung bis zum starken Baumholz mit Alt- und Tothölzern ist vor allem der Anteil an Nadelholz-Beständen recht groß. Nicht selten sind auch Birken-, Ahorn- oder Roteichen-Bestände. Ein Teil der Waldbestände wurde früher als Niederwald genutzt, so dass vielfach mächtige Kopfbuchen und Niederwald-Relikte anzutreffen sind. Im Umfeld herrschen Siedlungs- und Freizeitflächen sowie strukturarme Ackerflächen vor. Neben den durchgewachsenen Buchen-Niederwäldern und alten Solitär-Kopfbuchen sind Hohlwege, Wallhecken und prägnante Geländekanten auch von kulturhistorischem Wert. Selten und kleinflächig sind auch Relikte von trockenen Heiden, naturnahe Kleingewässer, Magergrünlandbrachen und Quellen (i.d.R. gefasst oder stark beeinträchtigt). Der bewaldete Abschnitt der Süchtelner Höhen ist als Trittsteinelement für waldgebundene Arten im Raum Viersen auch für den regionalen Biotopverbund von besonderer Bedeutung. Aufgrund der vorhandenen Aufschlüsse ist das Gebiet paläontologisch von herausragender Bedeutung. Bemerkenswerte Pflanzenart: Dreizahn (Danthonia decumbens). Bemerkenswerte Tierarten: Hohltaube, Grünspecht, Kleinspecht. Geschützte Biotoptypen nach §62 LG: naturnahe Stillgewässer, Zwergstrauch-, Ginster-, Wacholderheiden.“
Zur Begründung einer Ausweisung als Naturschutzgebiet könnten neben der naturgeschichtlichen Bedeutung also – vergleichbar mit dem NSG „Bockerter Heide“ in unmittelbarer räumlicher Nähe – auch landeskundliche Gründe gemäß § 23 BNatSchG herangezogen werden, die sich aus einer traditionellen Form der Waldbewirtschaftung ergeben. Dabei stellt sich insbesondere die Nutzung der Baumart Rotbuche zur Gewinnung von Brennholz als eine andernorts offenbar nahezu unbekannte kulturelle Besonderheit dar, wie es zuletzt von Herrn Günter Wessels in seinem Beitrag „Der Wall um den Erbenbusch“ in einer Publikation des Vereins für Heimatpflege e.V. Viersen dokumentiert wurde.
Gruppen von Rotbuchen, die durch „Absenker“ vermehrt wurden – das sogenannte „Lemmen“ –, sowie Kopf- und Stockbuchen finden sich noch überall im beschriebenen Gebiet, sind allerdings teilweise in einem sehr schlechten Zustand und bedürfen dringend einer intensiven Pflege. Auch die exemplarische Fortführung der traditionellen Niederwaldbewirtschaftung auf traditionell besonders dafür genutzten Flächen wäre wünschenswert. Die im Gelände noch erkennbaren und von Herrn Wessels detailliert beschriebenen Wälle des sogenannten „Erbenbuschs“ sind als Überbleibsel traditioneller Waldbewirtschaftung in früheren Jahrhunderten besonders erhaltenswert und stellen einen eigenen Schutzgrund „aus landeskundlichen Gründen“ dar.
Durch die vergleichsweise intensive Nutzung für die Freizeit und Erholung der Bevölkerung stehen die Süchtelner Höhen als Naturraum zunehmend unter Druck. Dazu kommen die Auswirkungen extremer Wettereignisse in Folge des Klimawandels. Verheerende Stürme und eine dreijährige Dürrephase in den Jahren 2018-2020 haben der Vegetation stark zugesetzt. Entwaldete Flächen sind neu zu bewalden und müssen heute besonders vor den Folgen ungeregelter Freizeitaktivitäten bewahrt werden. Der gegenwärtig bereits festgelegte Schutz der Landschaft ist offenbar nicht in der Lage, dieses Ziel zu gewährleisten.
Damit Aktivitäten für Erholung, Freizeit, Umweltbildung und Naturerleben auf den Süchtelner Höhen und am Hohen Busch auch weiterhin möglich bleiben, wäre bei der Ausweisung als Naturschutzgebiet in besonderem Maße auf diese Nutzungsfunktionen Rücksicht zu nehmen. Die Maßnahmen zum Schutz der Natur wären in den textlichen Festsetzungen des Schutzgebiets mit den genannten Funktionen in Einklang zu bringen. Naturschutzfachlich sinnvolle und berechtigte Einschränkungen, Ge- und Verbote sollen nur den Teil der Nutzung betreffen, die mit der Bewahrung dieses wertvollen Natur- und Kulturraums nicht vereinbar sind. Unter Beachtung dieses Grundsatzes stände die Ausweisung als Naturschutzgebiet auch im Einklang mit dem geltenden Forsteinrichtungswerk aus dem Jahr 2016, das für die städtischen Waldflächen das Ziel „Sonderwirtschaftswald für Erholung und Ökologie“ formuliert.
Die konkrete Ausarbeitung der Schutzziele und deren textliche Festsetzung müsste im amtlichen Verfahren der Neuaufstellung des Landschaftsplans durch die untere Naturschutzbehörde auf der Grundlage eines Fachbeitrags des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen erfolgen. Das Votum des Viersener Stadtrats für ein Naturschutzgebiet Süchtelner Höhen und Hoher Busch durch einen Beschluss auf der Grundlage dieses Antrags kann diesem Ziel jedoch einen wirkungsvollen Anschub und die nötige Unterstützung geben. Als Eigentümerin bedeutender Flächen in der beschriebenen Kulisse steht die Stadt Viersen hier in besonderer Verantwortung. Bei der Umsetzung der Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sollen nach Absprache mit den Landeigentümer*innen und Landnutzer*innen nach Möglichkeit die Instrumente des Vertragsnaturschutzes (bzw. Wald-Vertragsnaturschutzes) zum Einsatz kommen. Eine extensive Nutzung der Flächen kann vereinbart werden; der finanzielle Ausgleich von Pflegemaßnahmen und entsprechende Entschädigungen sind möglich, ebenso die Befreiung von festgesetzten Verboten im Einzelfall auf Antrag, soweit die Nutzung mit den Belangen des Naturschutzes und den festgesetzten Schutzzielen vereinbar ist.
Das demnächst anstehende Verfahren der Neuaufstellung des Landschaftsplans 2 im Kreis Viersen durch die untere Naturschutzbehörde sollte uns einen willkommenen Anlass liefern, die umliegenden Naturräume für die Stadt Viersen und ihre Ortsteile in ihrer Bedeutung für wildlebende Tiere und Pflanzen, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger weiter aufzuwerten. Die Wiederaufnahme der Nutzung als Niederwald auf ausgewählten Flächen würde einen vielgestaltigen Waldlebensraum fördern – mit vielen Nischen für Falter, Schmetterlinge und Höhlenbewohner. Von einer Unterschutzstellung als großflächiges Naturschutzgebiet aus landeskundlichen Gründen würden Natur und Biodiversität auch insgesamt in vielfacher Hinsicht profitieren.
Die Süchtelner Höhen sind ein wertvoller Teil unserer Heimat und zugleich ein besonderer Naturraum. Wer hier spazieren geht, wandert, ihren Hund ausführt, Rad fährt oder reitet, sollte sich bewusst sein, dass dieser Naturraum nicht nur den malerischen Hintergrund für die eigene Freizeitgestaltung abgibt, sondern als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und gleichzeitig als wertvolle Kulturlandschaft einen eigenständigen Wert hat. Mit dem Ausbau einer entsprechenden öffentlichen und privaten Infrastruktur von Umweltbildung und Naturerleben (Walderlebnispfad, Info- und Schautafeln, Einbindung in einen Premium-Wanderweg, Umweltbildung- und Naturerlebniszentrum im derzeitigen Wildgehege usw.) sollten wir unsere Bürgerinnen und Bürger ganz bewusst daran teilhaben lassen – zugleich aber auch darauf hinweisen, dass Süchtelner Höhen und Hoher Busch kein Stadtpark sind, sondern ein Stück Natur im räumlichen Zentrum der vier Ortsteile – im Herzen von Viersen!